Interview mit Theresia Gerlach

Theresia Gerlach

Pfr. Dominik Kanka hat sich am 20. Januar 2018 mit Theresia Gerlach unterhalten, die in der Christuskirche die Orgel spielt und den Projektchor und die Schola leitet.

Kanka: Hallo, Frau Gerlach. Sie sitzen hier auf der Orgelbank der Link-Orgel in der Evangelischen Christuskirche Heppenheim. Seit wann sind Sie eigentlich hier Organistin?
Gerlach: Das ist schon eine ganze Weile her, seit 1980.
Kanka: Und wie war das? Was hat Sie hierher nach Heppenheim in eine evangelische Kirche verschlagen? Sie sind doch aus Bensheim und noch dazu katholisch.
Gerlach: Das war noch unter Pfarrer Paechnatz. Es gab ein Inserat in dem Bergsträßer Anzeiger und auf Initiative meines Vaters habe ich mich dann beworben. Nach Heppenheim kam ich, weil ich in Bensheim keine Übe-Orgel gefunden hatte. In St. Georg war damals der Organist Karner. Aber an die dortige Orgel durften nur seine eigenen Schüler.
Kanka: Und Sie konnten schon alles, was er unterrichtete.
Gerlach: Zu ihm brauchte ich nicht in den Unterricht gehen. Das brachte nichts. Ich bin dann an die Uni gegangen und bei Prof. Stadtmüller gewesen, brauchte aber auch eine Orgel zum Üben hier im Umkreis von Bensheim.
Kanka: Und dann haben Sie hier in der Christuskirche eine gefunden.
Gerlach: Das ging über die Anzeige und meinen Vater. Hier in der Christuskirche habe ich mich dann mal vorgestellt.
Kanka: Das hat ja gut gepasst.
Gerlach: Ja, sonst übt man halt immer nur zuhause auf dem Klavier und geht an die Uni zum Üben. Man müsste sonst sehr viel Zeit an der Uni verbringen.
Kanka: Wo haben Sie studiert?
Gerlach: In Mainz, Fachbereich Kirchenmusik. Dort gab es die vier, fünf Übe-Orgeln in einem eigenen Haus, wo man schon üben konnte. Und wir hatten etwa zehn Klaviere. Aber man möchte ja auch etwas vor Ort haben, weil ich dort auch nicht wohnen wollte.
Kanka: Wie war damals Ihr erster Eindruck von dieser Orgel in der Christuskirche?
Gerlach: Positiv. Ich hatte schon als Schülerin immer wieder Vertretungsgottesdienste gespielt, auch auf evangelischer Seite. Dafür war ich ganz offen.
Kanka: Sie sind katholisch …
Gerlach: dann heißt es immer, man spielt nur katholisch, was gar nicht der Fall ist. Ich hatte damals schon häufiger in der evangelischen Gemeinde in Auerbach gespielt und bin mit der evangelischen Liturgie sehr vertraut.
Kanka: Wie ist das im Studium? Studiert man katholische Kirchenmusik?
Gerlach: Heutzutage ist es in Frankfurt zum Beispiel eins. In Mainz war es damals so: Die C-Prüfung habe ich katholisch abgelegt und Pfr. Schwemer hat, als er meine Personalien überprüft hatte, gesagt, dass man auch eine evangelische Anerkennung brauche. Daraufhin sind wir nach Darmstadt gefahren und haben mein katholisches Universitätszeugnis evangelisch absegnen lassen. Also ich besitze zwei Zeugnisse. Ich habe aber eigentlich einen staatlichen Abschluss, der aber katholisch geprägt ist.
Kanka: Hat man da auch Bach geübt?
Gerlach: Vorwiegend! Bach ist Literatur! (lacht) Das hat doch mit evangelisch und katholisch nichts zu tun! Im Gegenteil, ich hatte einen Professor mit einer großen Bandbreite. Wir haben romantische schöne Stücke geübt, haben verrückte neumodische Sachen geübt und viel, viel Bach.
Kanka: Sie waren also positiv überrascht von dieser Orgel und haben hier gerne geübt?
Gerlach: Ich habe hier Konzerte vorbereitet oder meine Zwischenprüfung. Ganz klar.
Kanka: Was waren denn die schönsten, größten Orgelstücke, die Sie hier gespielt haben?
Gerlach: Das würde ich nie so beantworten – die schönsten oder besten … Es gibt welche, die in mein Leben passen, in meine Art. Das, was ich auch gerne darstellen möchte. Stücke, die in den Gottesdienst passen, das ist für mich immer das Allerbeste. Ich spiele ganz gerne viele Literatur. Es gibt eigentlich nichts, was ich nicht gerne spiele.
Kanka: Sie haben den Gottesdienst angesprochen. Das ist für Sie das Zentrale in Ihrer Arbeit?
Gerlach: Find´ ich ungeheuer wichtig. Wenn ich konzertieren wollte, hätte ich Orgel als Konzertfach studiert.
Kanka: Aber Sie haben Kirchenmusik studiert.
Gerlach: Ich verstehe mich schon als Mitarbeiterin der Kirche und nicht als konzertierender Mensch irgendwo in der Weltgeschichte. Es gibt durchaus verschiedene Auffassungen, was ein Kirchenmusiker will oder wie er beweihräuchert werden will.
Kanka: Aber für Sie ist zentral, den Gottesdienst zu begleiten.
Gerlach: Den Gottesdienst richtig zu umrahmen. Es gibt so falsch verstandene Orgelmusik: Man nimmt irgendein Stück: „Das spielen wir mal.“ Es muss in die Jahreszeit passen. Es muss das untermalt werden, was der Pfarrer als Rahmen vorgibt. Und ich verstehe die Aufgabe des Organisten, daraufhin zu üben und das auch im Gottesdienst darzustellen.
Kanka: Haben Sie den Eindruck, dass das gelingt?
Gerlach: Das habe ich schon. Ich kann hier in der Kirche auch gut Literatur kaufen zur Vorbereitung auf die verschiedenen Gelegenheiten, in denen ich dann eingesetzt werde.
Kanka: Das freut mich zu hören. Gibt es noch etwas, was Sie zu der Orgel sagen können? Was macht die Orgel aus? Was ist das Besondere an ihr?
Gerlach: Das ist eine richtig klassizistische Orgel. Eine typische Bach-Orgel. Das Einzige, was ihr ein bisschen fehlt, ist das romantische Element. Ich habe keinen Schweller, keine Streicher …
Kanka: Können sie das kurz erklären. Was ist das, ein Schweller?
Gerlach: Eine Jalousie, die Sie auf und zu machen können. Sie drücken ja normalerweise auf die Orgel und der Ton ist produziert, aber Sie können ihn nicht gestalten, Sie können ihn nicht an- oder abschwellen …
Kanka: Sie können ihn nicht lauter oder leiser machen …
Gerlach: … so ist es. Das ist im Prinzip das Pedal am Klavier, das fehlt hier so ein bisschen.
Kanka: und die Streicher …
Gerlach: Es gibt Streichregister wie Viola oder Gambe, die hat die Orgel nicht. Sie hat Flöten- und Prinzipalregister, es ist eine ehrlich klassizistisch disponierte Orgel. Und da ich gerne französische Literatur spiele, fehlt mir das ein bisschen. Man muss es sich zusammen bauen, man kann ja auch einen Streich-Effekt erzielen, indem man zwei Register zusammen zieht und lässt dadurch eine Schwebung entstehen.
Kanka: Wissen Sie was die Renovierung der Orgel kostet?
Gerlach: Es gibt die große für 20.000 € – glaube ich – und die kleine, es gibt verschiedene Stufen und es kommt immer drauf an, was gemacht werden muss. Wie beim Auto, große und kleine Inspektion. Aber genauer weiß ich das jetzt auch nicht.
Kanka: Na schön, dann werden wir mal bei der Orgelfirma nachfragen. Vielen Dank für Ihre Zeit und weiterhin viel Freude an der Musik hier an unserer Orgel.